Es ist ja fast schon ein Klischee: Mit einem Wäschesack voller ungeöffneter Mahnbriefe und Rechnungen steht eine Person im Büro. Daniela Gärtner kennt solche Fälle. "Erst heute Morgen war wieder einer da", erzählt die Schuldnerberaterin bei der Caritas Bruchsal.
Beim Wohlfahrtsverband ist man alarmiert: "Immer weniger Menschen kommen mit dem Geld aus, das sie zur Verfügung haben", berichtet Sabina Stemann-Fuchs, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Bruchsal. Dort gibt es seit 2009 eine Schuldnerberatung.
Seit mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, können immer mehr Menschen ihre Rechnungen nicht bezahlen. So ihr Eindruck. Andere haben nie gelernt, mit dem vorhandenen Geld wirtschaftlich umzugehen: "Das Kaufen auf Pump ist verführerisch - und so einfach geworden." Mit ein paar Klicks im Internet sind ein neues Handy oder Klamotten schnell bestellt.
Laut Statistischen Bundesamt hatte eine überschuldete Person, die 2022 die Hilfe einer Beratungsstelle in Anspruch genommen hat, durchschnittlich 30.940 Euro Schulden. In der Region bieten neben der Caritas auch das Landratsamt Karlsruhe und die Diakonie in Bretten eine Schuldnerberatung an.
150 Erstgespräche hat Schuldnerberaterin Daniela Gärtner 2022 geführt. Bis August waren es schon 130. Sie führt das Erstgespräch in ihrem Büro im Triwo-Park oder in der Außenstelle im Franziskushaus in Waghäusel-Wiesental. "Kostenlos", wie sie betont: Menschen, die wegen Altersarmut ihre Strom- oder Mietrechnungen nicht mehr zahlen können, sind darunter.
Aber auch Flüchtlinge, deren Handyverträge sich stillschweigend verlängern und die ihre Raten nicht mehr bedienen können. Außerdem Jugendliche, die den Verlockungen im Internet erliegen. Gemeinsam wird dann versucht, einen Weg aus der Schuldenfalle zu finden.
Der Weg ist nicht einfach, das hat auch Tobias D. festgestellt. Nach drei Jahren ist der junge Mann aus Waghäusel schuldenfrei. Seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen. In Waghäusel wohnt Tobias D. auch schon längst nicht mehr.
"Das Thema Schulden ist nach wie vor mit Scham besetzt", bestätigt Schuldnerberaterin Gärtner. Betroffene fürchten Lohnpfändungen, denn dann weiß der Arbeitgeber Bescheid. Oder dass der Gerichtsvollzieher vor der Türe steht. "Manche bekommen schon Panik, wenn jemand klingelt oder wenn sie den Briefkasten öffnen müssen", weiß Daniela Gärtner.
"Irgendwann habe ich gegoogelt, ob man wegen Schulden ins Gefängnis kommt", erzählt Tobias D. im Gespräch mit den BNN. Mit 18 Jahren habe er angefangen, über das Internet Dinge zu bestellen, die er sich eigentlich nicht leisten konnte. Handy, ein Fernseher. Vieles auf Raten. "Über die Konsequenzen habe ich nicht nachgedacht." Anfangs haben die Eltern noch mit Geld ausgeholfen, wenn Rechnungen kamen. Mahnende Worte waren ihm egal. "Hab’ ich weggenickt", räumt er ein. Irgendwann stapelten sich die Mahnbriefe auf dem Schreibtisch. "Nach zwei bis drei Mahnungen verkauft Amazon die Ansprüche an Inkassounternehmen", erläutert die Schuldnerberaterin. Mit jedem Schreiben fallen Extragebühren an. Immer neue Zinsen müssen gezahlt werden. Ein Teufelskreis, der sich jahrelang dreht.
Mit dem Gerichtsvollzieher sei er schließlich per Du gewesen. Weil er damals noch Azubi war, war nicht viel zu holen. Nach der eidesstattlichen Erklärung kam der Schufa-Eintrag. Seine frühere Freundin hat nicht locker gelassen. So gehe es nicht weiter.
Ende 2019 hat er bei der Schuldnerberatung angeklopft. Dort gibt es neben Daniela Gärtner acht Ehrenamtliche. Menschen, die sich gut mit Zahlen auskennen und die Betroffenen beim Schuldenabbau unterstützen. Das sind Juristen oder Banker. Walter Gamer beispielsweise hat früher für die Förderbank des Landes gearbeitet. Der wühlt sich durch den Wust an Rechnungen und Mahnungen: 12.000 Euro Schulden bei 15 Gläubigern sind es zum Schluss bei Tobias D. Ein Plan wird entwickelt, welche Schulden zuerst abgebaut werden müssen.
"Anfangs war es schwierig, weil Tobias als Azubi nur monatliche Raten von 10 bis 30 Euro zahlen konnte", erinnert sich Gamer. Später wechselt er zu einem besser zahlenden Arbeitgeber. Durch Vergleiche kann die ursprüngliche Schuld von knapp 12.000 Euro auf später 8.000 Euro gedrückt werden.
"Jetzt bin ich schuldenfrei", freut sich Tobias D. Warum es überhaupt so weit gekommen ist, kann der junge Mann heute nicht mehr sagen. Nur so viel weiß er, dass er heute nur noch Dinge kauft, die er auch bezahlen kann. "Man wird erwachsener." Der Fall von Tobias D. zeigt nach Beobachtung von Walter Gamer, wie sich Schulden typischerweise summieren. Aber in jedem Fall werde nach einer individuellen Lösung gesucht.
In die Schuldnerberatung kann man auch kommen, um den richtigen Umgang mit Geld zu lernen, so Daniela Gärtner. Sie hält in Schulen regelmäßig Vorträge. "Bei manchen Schülern sind schon die Eltern verschuldet. Die bekommen das vorgelebt." Markenklamotten und ein iPhone sind ein Muss. Und die Schüler möchten dazu gehören.
Gemeinsam wird geschaut, wo das Geld bisher hingeflossen ist. Eine Haushalts-App soll helfen, den Überblick zu behalten. Gärtner schwört auf Werbeprospekte, da lässt sich schon vorher schauen, wo man günstig einkaufen kann. Auch die Fixkosten sollten regelmäßig überprüft werden. Im Zweifel können Anbieter für Strom oder Telekommunikation gewechselt werden. "Und wenn man kein Geld hat, sollte man nicht auf Rechnung kaufen." Den Rat hat sie schon von ihrer Oma bekommen.
Die Caritas Schuldnerberatung erreichen Sie unter der Nummer 07251/ 8008-0.
Quelle: BNN
Daniela Gärtner, Schuldnerberaterin des Caritasverbands BruchsalCvB
Walter Gamer, ehrenamtlicher Schuldnerberater des Caritasverbands BruchsalCvB