Text von BNN Mitarbeiterin Irmgard Duttenhofer
Bruchsal (id).
Dieser Moment am 20. Juli 2020 hat sich in Pedrags Gedächtnis eingebrannt: Er stand vor dem Julius-Itzel-Haus in Bruchsal, arbeitslos, geschieden, krank, ohne Perspektive. Trotzdem hat er sich lange gesträubt, durch die Tür zu gehen. Schuld und Scham waren übermächtig. Heute weiß er: Dass er in dieser Einrichtung aufgenommen wurde, war sein ganz persönlicher Lottogewinn. Inzwischen ist er gesundheitlich stabil, hat eine Arbeitsstelle in Aussicht und unterstützt bereitwillig seine Mitbewohner, wenn sie Hilfe brauchen. Was ihm fehlt, ist eine eigene Wohnung.
Die hat Markus gerade gefunden und ist vor wenigen Tagen umgezogen. Vor einem Jahr hatte er seine Vergangenheit bewusst hinter sich gelassen und ist in Bruchsal gestrandet. Er war krank, langzeitarbeitslos, die Wohnung zwangsgeräumt. Ohne Hilfe konnte er diesem Teufelskreis nicht entfliehen, so seine realistische Einschätzung. Das Julius-Itzel-Haus, das gerade sein 25-jähriges Bestehen feiert, war seine Rettung. Markus hat in den vergangenen Monaten viel fürs Leben gelernt aber noch hohe Hürden vor sich. Vor allem muss er gesund werden, dann Privatinsolvenz anmelden und einen Arbeitsplatz finden. Der ruhige und besonnene Mann hat mit Arbeitstherapeut Hans Of eine Strategie für sein künftiges Berufsleben entwickelt. Wenn Markus über diese Pläne spricht, leuchten seine Augen. Endlich sieht er Licht am Ende des Tunnels.
Pedrag und Markus haben im Julius-Itzel-Haus, einer sozialtherapeutische Facheinrichtung für wohnungslose Menschen, weit mehr als ein Zuhause auf Zeit gefunden. Sie haben gelernt, in einer Wohngemeinschaft zu leben, den Tag zu strukturieren, Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Sie werden auch nach ihrem Umzug nicht alleine gelassen, sondern in der ambulanten Beratung dieser Einrichtung weiter unterstützt.
In die Ausweglosigkeit abzustürzen, kann jeden treffen, sagt Arbeitstherapeut Of. Im stationären Bereich des Julius-Itzel-Hauses werden derzeit 30 Menschen betreut. Seit einigen Jahren auch Frauen in einem eigenen, geschützten Bereich. Das war vor 25 Jahren nicht der Fall. Damals waren die Bewohner Nichtsesshafte, sogenannte Landstreicher und Tippelbrüder, allesamt Männer und deutlich älter. Inzwischen sind es immer mehr 18- bis 25-Jährige, die das Angebot in Anspruch nehmen, informierte Caritas-Vorstandsvorsitzende Sabina Stemann-Fuchs während der Geburtstagsfeier.
Nach oben gibt es keine Altersgrenze, so Of: "Alle schlagen auf mit wenigen Habseligkeiten und einem Sack voller Probleme". Diese Menschen brauchen mehr als ein Dach über dem Kopf, ein Bett und ein warmes Essen. Sie sollen sich wohl fühlen und menschlich behandelt werden. So habe es auch der Stifter Julius Itzel in seinem Testament verfügt, informierte Albert Wild die Geburtstagsgäste. Er war Caritas-Vorstand, als das Itzel-Haus in Betrieb ging.
Den Impuls, diese Einrichtung in Bruchsal zu bauen, gab Dekan a.D. Walter Schmitt. "Es ist kein Platz mehr in der Herberge", brachte er damals, es war zur Weihnachtszeit, die Situation der Obdachlosen in Bruchsal auf den Punkt. Das Sechs-Millionen-DM-Projekt konnte realisiert werden und wird noch heute von der Stadt, dem Landkreis, dem Caritasverband, der Julius-Itzel-Stiftung und Sponsoren, allen voran der SEW, unterstützt.
Der Auftrag des Julius-Itzel-Hauses ist die berufliche und soziale Rehabilitation der Menschen, die in Bruchsal gestrandet sind. Sie unterscheiden sich von den Wohnsitzlosen "auf Platte", denn die "Itzelaner" sind bereit, Regeln zu akzeptieren: Weder Drogen noch Gewalt, dafür Arbeitsleistungen für sich und andere erbringen, erläutert Of.
Pedrag und Markus gewähren Einblicke in ihre Wohngemeinschaft. An einer Korkwand hängen Fotos gemeinsamer Aktivitäten. Ein Wochenplan regelt die Abläufe in der Wohnung, eine Job Börse die Arbeitsangebote im Haus und auf dem Gelände: Beim Umzug helfen, im Garten arbeiten, in der Fahrradwerkstatt unterstützen, Türklinken desinfizieren, Fenster putzen. Es gibt kein Muss. Nur die Chance, die Freizeit sinnvoll zu nutzen, sich in der Gemeinschaft einzubringen und ein klein wenig Taschengeld dazu zu verdienen. "Menschen brauchen Raum und Geborgenheit. Das finden sie in dieser Einrichtung", freute sich Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick bei ihrem Besuch der Geburtstagsfeier.